Wussten Sie schon, dass… Diabetiker ein höheres Osteoporose-Risiko haben?
22. August 2023Zu wenig Schlaf ist schlecht für’s Herz – und auch für’s Körpergewicht!
25. September 2023Wussten Sie schon, dass… zunehmend mehr Kinder und Jugendliche an Typ-2-Diabetes erkranken?
Wenn man über Diabetes bei Kindern und Jugendlichen spricht, dann denkt man meist an schlanke Kinder, Sensoren, Basis-Bolus-Therapie und Insulinpumpen. Also einen Typ-1-Diabetes, eine Autoimmunerkrankung, bei der die ß- Zelle der Bauchspeicheldrüse durch einen selbstzerstörenden Prozess zerstört wurde. Und das ist auch meist so, aber durch unseren jetzigen Lebensstil erkranken zunehmend mehr Kinder und Jugendliche an Typ-2-Diabetes.
Unterschied Typ-1- und Typ-2-Diabetes
Der Begriff Diabetes mellitus beschreibt grundsätzlich jegliche Stoffwechselerkrankung, die mit erhöhten Blutzuckerwerten einhergeht. Bei Kindern und Jugendlichen tritt der Diabetes mellitus Typ 1 mit 94% deutlich häufiger auf als der Typ-2-Diabetes. Ursächlich für den Typ-1-Diabetes ist eine autoimmunologische Fehlsteuerung des Körpers, bei der es zu einer Zerstörung der insulinproduzierenden ß-Zelle der Bauchspeicheldrüse kommt. Da diese Diabetes-Form viel häufiger bei der jungen Bevölkerung auftritt, wurde sie oft auch als juveniler Diabetes bezeichnet. Dieser Begriff ist heute aber obsolet. Die Form des Diabetes hält sich nicht mehr an Altersgrenzen.
Der Typ-2-Diabetes ist eine heterogene Erkrankungsgruppe, der wie jeder Diabetes-Form zu hohe Zuckerwerte gemein sind, eine ausgeprägte Insulinresistenz und eine verändert funktionierende Bauchspeicheldrüse. Früher wurde diese Diabetes-Form als Altersdiabetes bezeichnet, aber auch dieser Begriff ist heute obsolet, da sich auch hier zeigt, dass alle Altersgruppen an dieser Form des Diabetes erkranken können. Aber ein unveränderbarer Treiber der Erkrankung ist neben der Genetik das Alter. Das bedeutet je älter man wird und je mehr Risikofaktoren bestehen, desto eher erkrankt man an Typ-2-Diabetes.
Zahlen bei Kindern und Jugendlichen
Bisher trat bei Kindern und Jugendlichen der Diabetes Typ-1 deutlich häufiger auf als der Typ-2-Diabetes. Derzeit leiden 94% der jungen Patienten an Typ-1-Diabetes und lediglich 2% an Typ-2-Diabetes. Der Rest verteilt sich auf Diabetes Sonderformen. Es zeigt sich aber leider, dass die Zahl an Typ-2-Diabetes bei Jugendlichen deutlich steigt. Die höchste Zahl an Typ-2-Diabetes-Neuerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen weisen China und die USA auf und nun zeigt sich auch in den europäischen Ländern ein deutlicher Anstieg.
Ursache, Symptome und Diagnose
Eigentlich unterscheiden sich die Symptome und die Pathogenese nicht von dem eines erwachsenen Typ-2-Diabetes. Meist ist es eine Zufallsdiagnose im Rahmen einer Routinekontrolle. Manche Betroffene zeigen aber auch Symptome wie bei der Diagnose eines Typ-1-Diabetes. Wie bei den Erwachsenen wird die Erkrankung des Typ-2-Diabetes durch genetische und v.a. beeinflussbare Umwelt-Faktoren getriggert und ausgelöst. Es kommt zu einer abgeschwächten Wirkung des körpereigenen Insulins auf Leber und Gewebszellen (Insulinresistenz), einem relativen Insulinmangel aufgrund einer veränderten Funktion der insulinproduzierenden ß-Zelle der Bauchspeicheldrüse und einem zu viel an Glukagon Produktion der Bauchspeicheldrüse und abgeschwächten Effekt von Darmhormonen, die auf den Zuckerstoffwechsel Einfluss haben (sog. Inkretin-Effekt). All dies führt zu erhöhten Blutzuckerwerten.
Was ist anders bei jungen Typ-2-Diabetikern?
Erste Studien bei juvenilem Typ-2-Diabetes zeigten einen rascheren Verlust der ß-Zell-Funktion, eine geringere Wirkung des Insulins und eine deutliche Verschlechterung der Blutzuckerkontrolle nach Beendigung der Diabetes-spezifischen Therapie im Vergleich zu Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes.
Frühere Spätkomplikationen bei jungen Menschen
Die TODAY-Studie zeigte ein erschreckendes Bild. Bereits nach einer mittleren Diabetesdauer von 13 und einem mittleren Alter von 26 Jahren traten bei circa 60% der PatientInnen bereits Spätkomplikationen auf. Nach circa 20 Jahren litten 50% an schweren Komplikationen wie Dialysepflicht, Erblindung oder Amputation.
Wann sollte ein Screening durchgeführt werden?
Die Empfehlungen der ADA/ISPAD geben heute klare Screening-Richtlinien für Diabetes bei Kindern und Jugendlichen vor: Das Screening auf Diabetes soll nach Pubertätsbeginn bzw. ab einem Alter von 10 Jahren bei Kindern und Jugendlichen mit einem Body-Mass-Index über der 90igsten Perzentile durchgeführt werden, wenn eines oder mehr der folgenden Risikofaktoren zutreffen:
- Positive Familienanamnese für Typ-2-Diabetes bei erst- oder zweitgradigen Verwandten
- Schwangerschaftsdiabetes oder bestehender Typ-2-Diabetes bei der Mutter
- Bei bestimmten ethnischen Gruppen mit höherem Diabetes Risiko
- Zeichen der Insulinresistenz (bestehender Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, niedriges oder hohes Geburtsgewicht)
- Laufende Therapie mit gewichtssteigernden atypischen antipsychotischen Substanzen
Das Screening erfolgt wie bei den Erwachsenen. Bei negativem Test sollte das Screening je nach Risikokonstellation alle 1 bis 3 Jahre wiederholt werden. Falls das Screening positiv ausfällt, sollte immer auch ein Typ-1-Diabetes ausgeschlossen werden.
Therapie-Optionen
Nachdem in Studien gezeigt wurde, dass diese juvenile Typ-2-Diabetes-Form deutlich aggressiver verläuft, es zu einem rascheren Verlust der Insulinsekretion kommt und eine höhere Insulinresistenz vorliegt, sollte rasch mit einer Therapie begonnen werden. Grundpfeiler der Therapie stellen Ernährung und Bewegung dar. Als medikamentöse Therapie kommen lediglich 3 Substanzen in Frage. Das sind Metformin, Liraglutid und Insulin, da es kaum Zulassungsstudien für andere Substanzen und Gruppen bei Kindern und Jugendlichen gibt.
Der Typ-2-Diabetes hat sich also gewandelt. Er ist keine Erkrankung mehr, der nur ältere Menschen trifft, sondern zunehmend auch eine chronische Erkrankung, von der zunehmend jüngere Menschen betroffen sind. Leider hat sich gezeigt, dass der Verlauf deutlich aggressiver und progredienter ist als bei Auftreten im höheren Alter. Daher ist es dringend notwendig Risikogruppen zu screenen und rechtzeitig zu therapieren und diese Patientengruppen bestmöglich zu betreuen, um die sehr früh auftretenden Folgeerkrankungen zu vermeiden oder zu verhindern. Die wichtigste Rolle wird das Erstellen und Umsetzen von Präventionsprogrammen und Präventionskonzepten sein, damit es zu dieser Diabetesform im Kindes- und Jugendalter gar nicht erst kommt!
Autorin: Dr. Birgit Mallinger-Taferner
www.mallinger-taferner.at