Miteinander zu einem gemeinsamen Ziel
19. Oktober 2019Gemeinsam an einem Strang ziehen
22. Oktober 2019Lebensqualität verbessern und Spätschäden vermeiden
Weltweit sind in etwa 285 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt, jedes Jahr sterben acht Millionen Menschen vorzeitig an den Folgen der Stoffwechselkrankheit. Man kann hier von einer Volkskrankheit epidemischen Ausmaßes sprechen: In Mitteleuropa ist die Zahl der Diabetiker seit 1998 um rund 40 Prozent gestiegen und bis 2030 soll sich ihre Zahl fast verdoppeln.
Auch in Österreich geht man in den nächsten Jahren von einem epidemiehaften Anstieg der Diabeteserkrankungen aus: Bereits heute sind etwa acht Prozent der Bevölkerung betroffen – Tendenz stark steigend. Zurzeit gibt es in Österreich etwa 650.000 Menschen, die an Diabetes erkrankt sind. Im Jahr 2030 werden es hierzulande, vorsichtig geschätzt, mehr als 800.000 sein. Nur etwa ein Zehntel der Betroffenen, zirka 30.000 Österreicher, leidet am größtenteils erblich bedingten Typ-1-Diabetes, während rund 90 Prozent vom Typ-2-Diabetes betroffen sind. Begünstigt wird der Typ-2-Diabetes vor allem durch Übergewicht und Fettleibigkeit sowie Bewegungsmangel.
Das betrifft auch immer mehr Kinder und Jugendliche. Insgesamt sind in Österreich zirka 3.000 Kinder unter 15 Jahren von Diabetes betroffen. Die meisten von ihnen leiden an Insulinmangeldiabetes, allerdings nimmt auch der Anteil an stark übergewichtigen Kindern zu, was zum Teil auch bereits zu Typ-2-Diabetes im Kindesalter führt. Vorbeugung und Aufklärung sind daher schon im Klassenzimmer gefragt. Ein wichtiger Ansatz wären eine Aufwertung des Sportunterrichts, fächerübergreifender Gesundheitsunterricht und ein gesundes Nahrungsmittelsortiment der Schulbuffets.
Frühe Bewusstseinsmachung würde das Diabetesrisiko schon bei den Jungen senken. Denn Diabetes kann tödlich sein: Alle 50 Minuten stirbt in Österreich ein Mensch an den Folgen des Diabetes. Das sind 10.000 Menschen im Jahr. Vor allem die Folgen einer zu spät diagnostizierten Diabeteserkrankung bringen oft dauerhaft gesundheitliche Beeinträchtigungen mit sich und die Folgeerkrankungen von Diabetes reichen im wahrsten Sinne des Wortes von Kopf bis Fuß: von Schäden an der Netzhaut bis hin zum diabetischen Fuß, dem Hauptgrund für Beinamputationen. Die Zahlen sind dabei erschreckend: Jedes Jahr erblinden in Österreich 200 Menschen als Folge des Diabetes mellitus. 62 Prozent aller Amputationen werden in Österreich an Diabetespatienten vorgenommen, das sind 2.500 Amputationen pro Jahr. 300 Österreicher mit Diabetes werden jährlich wegen ihres Nierenversagens dialysepflichtig. Das sind 26 Prozent aller Patienten mit neuer Dialysepflichtigkeit.
Konzepte zur Optimierung der Versorgung von Diabetespatienten bestehen bereits, wie das Programm „Therapie aktiv“, das von der österreichischen Sozialversicherung in Kooperation mit dem Gesundheitsministerium, der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, der Österreichischen Ärztekammer sowie anderen Fachgesellschaften entwickelt wurde. Ziel hierbei ist es, Diabetespatienten im täglichen Umgang mit ihrer Krankheit zu schulen und sie zu befähigen, sich aktiv in die Betreuung einzubringen. Für das Leben nach der Diagnose Diabetes und seinen Folgeerkrankungen spielt eine optimale Betreuung eine große Rolle, um die Lebensqualität zu verbessern und Spätschäden zu vermeiden. Solche Programme müssen aber konstant ausgebaut und aktiv beworben werden, denn nur etwa jeder fünfte diagnostizierte Diabetiker in Österreich weiß, dass es solche speziellen Programme überhaupt gibt.
Generell gilt: Würde der Fokus mehr auf Prävention und Aufklärung gelegt werden, müsste man sich die Frage nach der Finanzierung von Diabetes gar nicht mehr in dieser Form stellen. Denn die Kosten sind beträchtlich: Die Gesundheitsausgaben für Menschen mit Diabetes mellitus liegen je nach Vorhandensein von Folgekrankheiten um 30 bis 400 Prozent über jenen von Nichtdiabetikern. Die direkten Kosten des Diabetes und seiner Folgekrankheiten in Österreich werden auf 4,8 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt. Das gemeinsame Ziel, um den rasanten Fortschritt der neuen Volkskrankheit einzudämmen und die Kosten zu reduzieren, sollte daher klar „Investitionen in Aufklärung und Prävention“ heißen. Denn Diabetes geht uns alle in Österreich etwas an, als Betroffene, als Angehörige, Freunde und Bekannte sowie als Ärztinnen und Ärzte, die Diabetiker behandeln.
In diesem Sinne begrüße ich den Zusammenschluss der einzelnen Diabetes-Selbsthilfegruppen in Österreich zu einer übergeordneten Institution sehr. Denn nur gemeinsam kann es uns gelingen, die Betroffenen auf gesundheits- und sozialpolitischer Ebene effizient und bestmöglich zu vertreten.
ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres
Präsident der Wiener und Österreichischen Ärztekammer