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Die „Erfindung“ des lebensnotwendigen Insulins hat im Jahr 2022 ihr 100-jähriges Jubiläum gefeiert. Die letzten Jahrzehnte erbrachten weitere Errungenschaften in der Entwicklung von Pharmakotherapien, welche die Behandlung des Diabetes maßgeblich verbesserten. Doch was erwartet uns konkret in den nächsten Jahren? Ein Blick in die Zukunft von DDr. Felix Aberer.
Nicht wegzudenken ist heutzutage auch die Diabetestechnologie, welche sich mit der Entwicklung von kontinuierlichen subkutanen Glukosemonitoringsystemen und Insulinpumpen in einer Verbesserung in der Therapiekontrolle und in der Zufriedenheit von Menschen mit Diabetes niederschlagen.
Wir können auf eine Vielzahl von Insulinen mit unterschiedlicher Wirkdauer zurückgreifen, verwenden bei Typ-2-Diabetes orale Medikamente und nicht-insulinbasierte Therapien (z.B. GLP1-Rezeptor-Agonisten), die spezifisch auf die Merkmale einer Person mit Diabetes zugeschnitten sind und auch die Wahrnehmung mit Diabetes zu leben, hat durch Schaffung von Awareness in der Bevölkerung und Etablierung strukturierter Selbsthilfe zu einer Reduktion der Stigmatisierung an Diabetes erkrankt zu sein, beigetragen.
Dennoch ist Diabetes eine Erkrankung mit einer weltweit steigenden Prävalenz, welche sich durch Lebensstilfaktoren, eine älter werdende Bevölkerung, Umweltfaktoren und genetische Faktoren erklären lässt. Verschiedenste Methoden zur Verbesserung der Therapiekontrolle oder gar „den Diabetes heilbar zu machen“ ist Gegenstand aktueller Forschung.
AID (Automated Insulin Delivery) Systeme
Während ältere Generationen von Insulinpumpen noch die manuelle Eingabe von Insulingaben erforderten und die Basalrate sich nicht von selbst an aktuelle Glukosewerte anpasste, ermöglichen AID-Systeme eine automatische Regulierung des Blutzuckers unter Korrespondenz der Pumpe mit einem dazugehörigen Sensor. Diese Systeme, welche bereits lizensiert und in Verwendung sind, basieren auf komplexen Algorithmen, welche der Pumpe erlauben, auf Basis von Sensorwerten automatisiert in die Insulindosierung einzugreifen. So reduziert die Pumpe eigenständig die Insulinabgabe, wenn eine Hypoglykämie droht oder bereits vorliegt, und verabreicht auch mehr Insulin, wenn Sensorwerte im Steigen begriffen sind.
Die derzeit verfügbaren Systeme erlauben noch keine vollkommen autonom arbeitende Insulinabgabe; zum Beispiel die Abdeckung einer größeren Mahlzeit muss nach wie vor proaktiv durch den Verwender eingegeben werden.
Die sogenannte „künstliche Bauchspeicheldrüse“ basiert auf dieser Technologie und sogenannte „Looper“ sind Menschen, welche die Algorithmen derart modifizieren, dass auch ein vollkommen autonomes Arbeiten der Pumpe ermöglicht wird. Sicherheitsaspekte verhindern bis dato noch die Zulassung voll automatisierter Systeme durch offizielle Gesundheitsbehörden. Die Zukunft auf diesem Sektor der Diabetestechnologie ist jedoch mehr als vielversprechend.
Einmal wöchentliches Basalinsulin
Ein einmal wöchentliches Basalinsulin ist eine neuere Form von Basalinsulin, das entwickelt wurde, um die Anzahl der Insulininjektionen zu reduzieren und gleichzeitig eine kontinuierliche Basalinsulinabdeckung über einen längeren Zeitraum zu erlauben. Diese Formulierung wurde entwickelt, um das Leben von Menschen mit Diabetes, insbesondere mit Typ-2-Diabetes, zu erleichtern und die Therapieadhärenz zu verbessern.
Einmal wöchentliches Basalinsulin kann durch verschiedene Technologien erreicht werden, wie z.B. durch die Verwendung von verlängerten Insulinanaloga oder durch innovative Formulierungen, die eine langsame Freisetzung des Insulins über einen längeren Zeitraum ermöglichen. Durch die Verabreichung einmal pro Woche kann dieses Basalinsulin die Notwendigkeit täglicher oder mehrerer Injektionen verringern und dennoch eine kontinuierliche Basalinsulinabdeckung bieten. Phase III Studien zum einmal wöchentlich zu verabreichenden Insulin Icodec (Novo Nordisk) sind bereits abgeschlossen und das Medikament befindet sich im Zulassungsverfahren.
Smart Insuline
Smart Insuline oder Glukose-responsive Insuline befinden sich noch in der frühen Entwicklungsphase, könnten bei Menschen mit Insulintherapie jedoch substanziell zu einer verbesserten Glukosekontrolle beitragen. Die Idee hinter Smart Insulinen ist, dass sie sich selbst regulieren, um den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren, ohne dass der Patient ständig Insulin dosieren muss.
Die genaue Funktionsweise kann je nach Art des Smart Insulins variieren, aber im Allgemeinen sind Smart Insuline so konzipiert, dass sie in Reaktion auf den Glukosespiegel im Blut aktiv werden, das heißt erst dann wirken, wenn der Blutzucker zu hoch ist und aufhören zu wirken, wenn ein niedriger Blutzuckerwert erreicht wurde.
Diese Technologien befinden sich noch in der (relativ frühen) Entwicklung und es werden noch umfangreiche klinische Studien durchgeführt, um ihre Sicherheit und Wirksamkeit zu bestätigen.
Immuntherapien, die Typ-1-Diabetes stoppen oder gar heilen
Derzeit gibt es keine Heilung für Typ-1-Diabetes, aber die Entwicklung der oben bereits erwähnten „künstlichen Bauchspeicheldrüse“ könnte eine vollständige Therapiesteuerung durch ein Medizinprodukt erlauben. Eine weitere, bereits etablierte Therapie zur Heilung erhöhter Blutzuckerwerte bei Diabetes ist die Pankreastransplantation, bei welcher im Zuge einer Operation die Bauchspeicheldrüse eines verstorbenen Organspenders (Pankreaslebendspenden werden in Europa nicht durchgeführt) implantiert wird. In Österreich erfolgt in der Regel eine Bauchspeicheldrüsentransplantation nur dann, wenn zeitgleich eine Nierentransplantation (z.B. bei diabetischer Nierenerkrankung) notwendig ist.
Der Grund dafür ist, dass mit der Transplantation auch die Notwendigkeit einer lebenslangen Einnahme von Immunsuppressiva einhergeht, welche deutlich schlechter verträglich und nebenwirkungsreicher als das bewährte Insulin ist.
Es gibt jedoch auch medizinische Ansätze bei Menschen mit Typ-1-Diabetes, durch komplexe Immuntherapien den Autoimmunprozess, der für die Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen verantwortlich ist, aufzuhalten. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass hierzu folgende Entwicklungsstufen des Typ-1-Diabetes unterschieden werden: Stadium 1 Diabetes bedeutet, dass diese Menschen positive diabetesspezifische Antikörper aufweisen, die Glukose jedoch (noch) normal ist und die Betroffenen beschwerdefrei sind.
Bei Stadium 2 liegen ebenfalls erhöhte Antikörper vor, und zusätzlich bestehen bereits erhöhte Blutzuckerwerte, welche jedoch noch keine Symptome hervorrufen. Bei Stadium 3 entwickeln sich zusätzlich Symptome der Hyperglykämie und die Mehrheit der Menschen mit Typ-1-Diabetes wird erst in diesem Stadium diagnostiziert, wobei auch bei Diagnosestellung eines Typ-1-Diabetes üblicherweise noch eine gewisse Menge an eigenem Insulin produziert wird.
Aktuelle Studien untersuchen nun bei Menschen mit kürzlich diagnostiziertem Typ-1-Diabetes, ob durch spezifische Immuntherapien die Insulinrestfunktion erhalten werden kann. Üblicherweise versiegt nach Erstmanifestation eines Typ-1-Diabetes nach einigen Monaten bis wenigen Jahren die eigene Insulinproduktion.
Das Ziel dieser Therapien ist die Restfunktion derart zu erhalten, dass kein oder nur wenig Insulin verabreicht werden muss, was zu einer besseren Therapiekontrolle und mehr Sicherheit in Bezug auf das Auftreten von Hypoglykämien beitragen kann. Die amerikanische Gesundheitsbehörde hat hierzu im Vorjahr den monoklonalen Antikörper namens Teplizumab zugelassen, welcher aufgrund seines Preises jedoch noch keinen breiten Einsatz findet.
Von äußerster Relevanz ist auch der wissenschaftliche Ansatz, Menschen zu identifizieren, welche bis dato keine hohen Blutzuckerwerte hatten, jedoch ein Autoimmunprozess durch den Nachweis von diabetesspezifischen Antikörpern vorliegt (Stadium 1, siehe oben).
Bei mehr als zwei positiven Antikörpern ist davon auszugehen, dass sich mit einer fast 100%igen Wahrscheinlichkeit früher oder später erhöhte Blutzuckerwerte und ein manifester Diabetes entwickeln werden. Spezifische Immuntherapien sollen nun darauf abzielen diesen Menschen langfristig zu einer Insulinfreiheit zu verhelfen. Diese Menschen sind schwierig zu identifizieren (man kann nicht alle auf das Vorliegen von Antikörpern screenen), der Radius kann aber durch eine gezielte Selektion von Risikopatient:innen (z.B. Menschen von Angehörigen mit Typ-1-Diabetes oder Menschen mit anderen Autoimmunerkrankungen) etwas eingeschränkt werden.
Personalisierte Medizin und Diabetescluster
Die personalisierte Medizin in der Diabetologie zielt darauf ab maßgeschneiderte Therapien zu verwenden und individuelle Therapieziele entsprechend unterschiedlicher Patient:innencharakteristika zu definieren. Ein spezifisches Diabetesmedikament wirkt bei manchen besser, bei manchen schlechter. Bei einigen ist das Medikament eventuell risikoreich, bei anderen ist es gar kontraindiziert. Manche Patient:innen profitieren von einer normnahem Blutzuckereinstellung, bei manchen steht die Vermeidung von Hypoglykämien im Vordergrund. Im Zuge der Etablierung einer personalisierten Medizin oder Präzisionsmedizin wurden auch sogenannte Diabetescluster entwickelt, aus welchen sich eine bessere Spezifizierung von Menschen mit Diabetes ableiten lassen. Folgende Diabetescluster wurden bis dato definiert:
- Severe Autoimmune Diabetes (SAID): Diese Gruppe umfasst Menschen mit Typ-1-Diabetes, die eine schwerwiegende Autoimmunreaktion gegen die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse haben.
- Severe Insulin-Deficient Diabetes (SIDD): Diese Gruppe umfasst Menschen mit schwerem Insulinmangel, ähnlich wie bei Typ-1-Diabetes, aber ohne die typischen Autoimmunmarker.
- Severe Insulin-Resistant Diabetes (SIRD): Diese Gruppe umfasst Menschen mit Typ-2-Diabetes, die eine starke Insulinresistenz aufweisen und oft mit Fettleibigkeit in Verbindung gebracht werden.
- Mild Obesity-Related Diabetes (MOD): Diese Gruppe umfasst Menschen mit Typ-2-Diabetes, die hauptsächlich durch Fettleibigkeit und Insulinresistenz gekennzeichnet sind, aber keine schweren Komplikationen haben.
- Mild Age-Related Diabetes (MARD): Diese Gruppe umfasst ältere Menschen mit Typ-2-Diabetes, die oft keine schweren Komplikationen haben und bei denen der Diabetes im Alter auftritt.
Diese Einteilung kann helfen, die Behandlung von Diabetes zu personalisieren und eine genauere Prognose für den Krankheitsverlauf zu ermöglichen. Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass die Clusterbildung ein aktives Forschungsgebiet ist und weitere Studien erforderlich sind, um die Zuverlässigkeit und Anwendbarkeit dieser Cluster in verschiedenen Populationen zu bestätigen.
Die Präzisionsmedizin umfasst auch die Identifizierung genetischer Risikofaktoren für die Entwicklung eines Diabetes, um bereits in frühen Stadien präventiv in die Entstehung eingreifen zu können.
Zusammenfassend kann versichert werden, dass die Diabetesforschung nicht stillsteht und dass sich in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten neue Behandlungskonzepte ergeben werden die das Leben mit Diabetes weiter verbessern können oder (zumindest den Typ-1-Diabetes) gar heilbar machen.
Literatur beim Verfasser
Autor: PD DDr. Felix Aberer, Medizinische Universität Graz