Neue 3D-Ausstellung im Diabetes-Museum: Ernährung als Medizin
3. Oktober 2024Wussten Sie schon, dass immer mehr Kinder Typ-1-Diabetes haben
Die Typ-1-Diabetes (T1D)-Prävalenz steigt weltweit und auch in Österreich an. Laut der International Diabetes Federation sind in Österreich 0,3 – 0,4% der Kinder und Jugendlichen von T1D betroffen. Der Anstieg der Erkrankungszahlen ist vor allem auf genetische und ökologische Faktoren zurückzuführen.
T1D ist nach wie vor eine unheilbare Erkrankung, die ab dem Zeitpunkt der Diagnose mit Insulin behandelt werden muss. Trotz einer beachtenswerten Weiterentwicklung von neuwertigen Insulinen und vor allem dem Vormarsch diabetestechnologischer Möglichkeiten (Sensoren, Insulinpumpen, Closed- Loop Systeme), ist das tägliche Diabetesmanagement, vor allem für Kinder und Jugendliche, eine enorme Herausforderung.
Zunehmendes wissenschaftliches Interesse hat in den letzten Jahren die Erforschung von Therapien gewonnen, welche den autoimmunbedingten Verlust von insulinproduzierenden Beta-Zellen bei Menschen mit frisch diagnostiziertem DM1 entschleunigen oder gar stoppen soll.
So wurde beispielsweise der monoklonale Antikörper Teplizumab im Vorjahr von der FDA zugelassen, welcher nachgewiesenermaßen den Rückgang der körpereigenen Insulinproduktion, welcher mit einer T1D-Erkrankung einhergeht, verzögern soll.
Einer Heilung entspricht diese Therapie zwar nicht, allerdings kann man gemäß Studienergebnissen die Notwendigkeit einer Insulintherapie doch um mehrere Monate bis wenige Jahre verzögern. Chantal Mathieu, eine der federführenden Personen in der Erforschung dieser krankheitsverzögernden Therapien, rechtfertigt den Einsatz dieser Therapien damit, dass es definitiv einen sehr großen Unterschied macht, ob man beispielsweise mit 3 oder erst mit 5 Lebensjahren anfangen muss, Insulin zu spritzen.
Krankheitsverzögernde Therapien
Bis dato gewonnene Evidenz zu diesen krankheitsverzögernden Therapien, die hauptsächlich über die Modulation von bestimmten T-Zellen des Immunsystems wirken, entspringt aus Studien, die an Menschen mit frisch manifestierter T1D- Erkrankung durchgeführt wurden. Bei diesen Menschen, wo bereits erhöhte Blutzuckerwerte vorliegen, kam es in der Regel bereits zu einem relevanten Verlust an insulinproduzierenden Beta-Zellen (ca. 70%). Mit diesen Therapien kann das wenige was noch an Insulin- produzierenden Zellen zu diesem Zeitpunkt noch da ist, möglicherweise länger erhalten bleiben.
Noch besser könnten diese Medikamente wirken, wenn man sie verabreicht bevor der Diabetes durch erhöhte Blutzuckerwerte auffällig geworden ist. Während eine Diabeteserkrankung definitionsgemäß früher noch zwingend mit dem Vorhandensein erhöhter Blutzuckerwerte definiert wurde, schließt eine neue Stadieneinteilung nun auch Personen ein, bei welchen bereits krankheitsspezifische Antikörper vorliegen, welche sich allerdings noch nicht schädigend auf die Beta-Zell-Masse ausgewirkt hat. So ist das Vorhandensein eines Stage-1-T1D dadurch definiert, dass zumindest zwei spezifische Antikörper positiv sind, der Blutzucker aber noch normal ist. Stage-2-Diabetes ist definiert durch die Positivität mindestens zweier Autoantikörper und bereits einer abnormen Blutzuckererhöhung allerdings noch ohne Symptome. Der Stage-3-T1D ist dann der klinische Diabetes, welcher auch tatsächlich symptomatisch und diagnostiziert wurde. Wie lange die Latenz von Stage-1- zu Stage-3-Diabetes dauert, ist bis dato nicht gänzlich geklärt und mit Sicherheit individuell sehr unterschiedlich.
Expertenpapier der Fr1daPlex-Initiative
Ein rezent publiziertes Positionspaper von Exper:innen der Fr1daPlex-Initiative, des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) Bayern und des PaedNetz Bayern e.V., hat nun die Sinnhaftigkeit eines Antikörperscreenings zur Früherkennung von T1D bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland bewertet. Die Rationale dahinter ist, dass
- man Betroffene früher auf das Auftreten einer T1D-Erkrankung vorbereiten kann was zu einer geringeren Belastung als eine akute Erstmanifestation führen kann
- von Beginn der Erkrankung an eine gute Blutzuckerkontrolle möglich ist und durch eine frühzeitige Insulintherapie auch eine längere eigene Insulinreserve vorhanden bleibt
- möglicherweise schwere metabolische Entgleisungen wie Ketoazidosen (wie sie bei Erstdiagnose oft vorliegen) verhindern kann
- man Betroffenen in frühen Diabetesstadien neuwertige krankheitsverzögernde Therapien anbieten (z.B. Teplizumab) könnte um dadurch eine Insulintherapie länger hinauszögern könnte.
Das Positionspapier berichtet auch über eine gewisse Skepsis der Früherkennung:
- Obwohl beim Vorhandensein von zumindest 2 positiven Antikörpern mit einer beinahe 100%igen Wahrscheinlichkeit ein insulinpflichtiger Diabetes entstehen wird, kann nie gesagt werden, wann ein Betroffener im Stadium 1 einer T1D Erkrankung tatsächlich erhöhte Blutzuckerwerte entwickeln wird. Möglicherweise wird den Betroffenen und Angehörigen dadurch Angst bereitet und unbeschwerte Lebensjahre könnten aufgrund des Wissens über das unvermeidbare „Kommen“ erhöhter Blutzuckerwerte, verloren gehen.
- Auch der Umstand, dass negativ gescreente Betroffene einen DM1 entwickeln können, limitiert die Sinnhaftigkeit. Auch weil sich gescreente Personen in vermeintlicher Sicherheit fühlen und im Falle des Auftretens einer DM1 Erkrankung möglicherweise schwergradiger von einer metabolischen Problematik bei Erstmanifestation betroffen sind.
- Die Kosteneffizienz eines flächendeckenden Screenings muss ebenso noch überprüft werden.
Das Positionspapier ist unter folgendem Link zu finden:
https://eref.thieme.de/ejournals/1439-4421_efirst#/10.1055-a-2320-2859
Referenzen:
Besser REJ, Bell KJ, Couper JJ, et al. ISPAD Clinical Practice Consensus Guidelines 2022: Stages of type 1 diabetes in children and adolescents. Pediatr Diabetes. 2022;23(8):1175-1187.
Autor: PD Dr. Dr. Felix Aberer, Universitätsklinikum Graz