Weltdiabetestag 2021: Virtuelles Diabetes Museum feierlich eröffnet
14. November 2021Diesen Monat in den sozialen Medien: November
30. November 20214GAMECHANGERS Health Talks: Niemand ist selber schuld an Diabetes!
Diabetes mellitus Typ 2 ist ein Paradebeispiel für eine sogenannte „Lebensstil-Erkrankung“, die häufig auf eine „schlechte“, weil ungesunde Lebensführung zurückgeführt wird und bei „besserem“ Verhalten vermieden werden könnte. Die Betroffenen bräuchten also bloß weniger essen und sich mehr bewegen – mit etwas Willenskraft kein wirkliches Problem – und schon wäre die Krankheit verschwunden oder würde erst gar nicht auftreten. Im Rahmen der 4GAMECHANGERS Health Talks 2021 widmete sich eine interdisziplinäre Diskussionsrunde kürzlich noch einmal dem Thema.
Für Thomas Wascher, Diabetes-Spezialist und Präsident des Vereins „Diabetes Initiative Österreich“, kein fairer Zugang, denn längst nicht jeder Mensch, der „ungesund“ lebt, erkrankt an Diabetes – die familiäre Veranlagung spielt eine wichtige Rolle. Außerdem haben das Elternhaus, das soziale Umfeld und nicht zuletzt die finanziellen Möglichkeiten großen Einfluss darauf, wie man lebt.
„Schuld“ ist im juristischen und im religiösen Kontext ein zentraler Begriff. Im Zusammenhang mit Krankheit ist es aber nicht zielführend, mit Schuld zu argumentieren, ist Stefan Reuffurth, Moraltheologe und Priester in Wien, überzeugt. Er spricht lieber von Verantwortung, die jeder Mensch für die eigene Gesundheit trägt.
Psychiater Michael Musalek, langjähriger Leiter des Wiener Anton-Proksch-Instituts, ergänzt: „Wir sind es in der Psychiatrie gewöhnt, dass die Patienten beschuldigt werden, dass sie psychisch krank geworden sind, weil sie etwas falsch gemacht haben in ihrem Leben.“ Das ist falsch, führt aber dazu, dass viele der Beschuldigten sich tatsächlich schuldig fühlen. Zum Leiden an der Krankheit kommt das Leiden an der Schuld, und es wird noch schwieriger, einen Ausweg zu finden.
Wie man dagegen ankommt? Musalek: „Man muss der betroffenen Person klarmachen: Es gibt einen Unterschied zwischen Ursache und Schuld. Ohne Zweifel sind Bewegungsmangel und zu viel Essen Ursachen für Diabetes. Die gute Nachricht ist: Wenn man Mitverursacher ist, kann man auch etwas dagegen tun.“
Bei Schauspieler Gerald Pichowetz wurde vor rund 20 Jahren Typ-2-Diabetes diagnostiziert. Er schildert, wie er lernen musste, damit umzugehen. „Man geht zum Arzt und denkt, nimm die Pulver, und es wird schon weggehen. Aber Diabetes geht nicht weg.“ Im Gegensatz zu Akuterkrankungen kann man sich auch nicht darauf verlassen, dass die Ärztin oder der Arzt das „schon richtet“, sagt Pichowetz: „Es ist ein Prozess, bin man erkennt: Da muss ich etwas tun, es liegt an mir.“
„Chronisch krank – selber schuld? Über Stigmatisierung, Schuldzuweisung und Verantwortung“
Im Großen Studio von PULS4 diskutierten:
- Dr. Petra Fabritz, (Fachärztin für Innere Medizin, Vorsorgeexpertin)
- Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek (Psychiater, Vorstand des Instituts für Sozialästhetik & Psychische Gesundheit der Sigmund Freud Universität, Wien)
- Gerald Pichowetz (Entertainer, lebt mit Typ-2-Diabetes)
- Stefan Reuffurth, MA (Moraltheologe und Priester)
- Univ.-Prof. Dr. Thomas Wascher (Diabetologe, Präsident der Diabetes Initiative Österreich)
Moderation: Wolfgang Schiefer (Nachrichtenredakteur, ATV Aktuell)